Konflikt ist normal, oft sogar gesund. Kollegen sind nicht immer der gleichen Meinung. Wichtig ist, daß sie ihre Konflikte lösen. Was aber geschieht, wenn Deutsche und Amerikaner Konflikte nach unterschiedlichen Ansätzen lösen?
Eskalierung
Für Deutsche sind Konflikte grundsätzlich negativ und unangenehm. Die Option, einen Konflikt zu eskalieren, kommt für sie ganz zu Ende. Effektive Führung bedeutet, Konflikte innerhalb der Organisation vorherzusehen und zu verhindern. Werden Konflikte also erst einmal öffentlich – also eskaliert – wird dies als Mangel an Führungsqualität verstanden.
Aus amerikanischer Sicht sind Konflikte etwas alltägliches. Einen Konflikt zu eskalieren, ist oftmals notwendig, um letztendlich auch eine Lösung des Konflikts herbeizuführen und vor allem auch seiner Sicht der Dinge Gehör zu verschaffen. Effektive Führung bedeutet, in diesem Zusammenhang, Konflikte, die öffentlich – also eskaliert – wurden, zu lösen.
Anhörung
Die Deutschen vermeiden eine öffentliche Anhörung um fast jeden Preis. Beschwerden öffentlich zu machen – die eigenen Argumenten denen der Konfliktpartei gegenüberzustellen und das vor der nächst höheren Managementebene – erhöht nur die Spannungen und macht eine Lösung des Konflikts schwieriger. Stattdessen interviewt der Schlichter die Konfliktparteien getrennt.
Aus diesem Grunde wird in der Regel eine Anhörung separat durchgeführt. Diese Maßnahme wird als der Empfindlichkeit der Situation angemessen betrachtet. Sie erschwert das Hervorbringen von Lügen und Verleumdungen gegenüber der schlichtenden Vertrauensperson, da diese nun mehr weiß als die einzelnen Kontrahenten.
Grundlegend für jeden gerechten und fairen Konfliktlösungsprozess ist die Anhörung. Vom Teamleiter als schlichtender Instanz wird erwartet, geduldig und sorgsam die Argumente der Konfliktparteien anzuhören.
Im amerikanischen Kontext ist es übliche Praxis, dass der Schlichter die Anhörung in Anwesenheit beider oder aller Parteien durchführt. Dies gibt jeder Partei die Möglichkeit, sowohl die von der Gegenseite vorgebrachten Argumente anzuhören, als auch diesen die eigenen Argumente entgegensetzen zu können.
Beweismaterial
Das Mosaik der Konfliktsituation, das in der Anhörung der Parteien an Kontur gewinnt, bedarf stets der Einbettung in ein objektives Gesamtbild, das die An- und Einordnung der einzelnen Beweisstücke bzw. Argumente erleichtert und vervollständigt.
Der deutsche Teamleiter begreift seine Schlichtungsaufgabe vorwiegend auch als möglichst wahrheitsgetreue Rekonstruktion der Ursachen, Dynamiken und Umstände des Konflikts. Er sucht daher vor allem nach objektivem Beweismaterial, das eine exakte Antwort auf die Leitfrage Warum musste das geschehen? liefert.
Ein amerikanischer Teamleader wird bei seinen Bemühungen, einen mannschaftsinternen Konflikt zu beheben, typischerweise schon frühzeitig Beweismaterial – also Fakten, Meinungen und Sichtweisen – sammeln, das aus neutralen Quellen stammt.
Diese Beweismittelquellen geben in der Summe also sowohl objektive als auch subjektive Beweisstücke wider. Und genau dies wird auch von einem Konfliktschlichter erwartet: Objektives und subjektives Beweismaterial soll gleichermaßen von ihm berücksichtigt werden.
Zeitrahmen
Deutsche sind sehr skeptisch, wenn Konfliktlösungsvorschläge hastig ausgearbeitet, akzeptiert und implementiert werden. Der Schlichter bzw. Teamleiter sollte den Prozess niemals überstürzen. Tut er dies dennoch, besteht aus deutscher Sicht die Gefahr, dass eine schlechte Entscheidung getroffen wird, die nicht nachhaltig wirkt und sich als Holzweg erweist. Das Problem droht so bloß vertagt, verlagert oder vertuscht zu werden.
Nimmt man sich nicht die Zeit, an der Wurzel eines Konflikts anzusetzen, wird das Problem immer wieder neue Blüten treiben. Deutsche geben sich daher ausreichend Zeit, um einen Konflikt mit systematischer Weitsicht zu lösen. Die amerikanische Art, Konflikte anzupacken, wird von Deutschen häufig als überhastet und kurzsichtig empfunden. Es scheint so, als bekämpfe man bloß Symptome, ohne die Krankheit heilen zu wollen.
Amerikaner werden schnell ungeduldig, wenn sie wahrnehmen, dass die Lösung eines mannschaftsinternen Konflikts allzu viel Zeit beansprucht. Aus ihrer Sicht ist es besser, rechtzeitig eine halbwegs akzeptable Konfliktlösung vorzuschlagen und zu implementieren, als zu spät die perfekte Lösung zu finden.
Konflikte, die durch zögerliche Behandlung eitrige Wunden innerhalb eines Teams hinterlassen, können weitaus größeren Schaden als suboptimale Entscheidungen verursachen. Es überrascht daher nicht, wenn Amerikaner monieren, ihre deutschen Kollegen seien zu langsam beim Finden von Konfliktlösungen.
Akzeptanz
Hartes Durchgreifen mit der Holzhammermethode wird als eigensinnig und bedrohlich empfunden. Im deutschen Kontext gibt es daher nur sehr wenig Toleranz für Lösungen, die klare Gewinner und Verlierer hervorbringen.
Amerikaner eskalieren Streitigkeiten. Sie erwarten einen Prozess zur Konfliktlösung von oben. Für sie kann es nur eine langfristige Lösung geben, wenn eine klare Entscheidung getroffen wurde. Einer gewinnt, einer verliert.